Von Dokumenten zu Modellen

Die Vorteile der modellbasierten Systementwicklung (MBSE) sind anerkannt, doch der Umstieg auf die neuen Denk- und Arbeitsweisen fällt vielen Organisationen schwer. Das Softwaretechnik-Institut paluno der Universität Duisburg-Essen hat gemeinsam mit Automobilzulieferer Schaeffler untersucht, mit welchen Mitteln er gelingen kann.

Moderne Autos sind rollende Computer-Netzwerke. Sie besitzen eine Vielfalt an vernetzten Fahrzeugsystemen, deren Softwarefunktionen ständig angepasst und erweitert werden. Die Entwicklung dieser Systeme geschieht in der Regel arbeitsteilig in verschiedenen Unternehmen und Abteilungen mit unterschiedlichen Fachdisziplinen. Der Abstimmungsbedarf dabei ist enorm. Um ein gemeinsames Verständnis für den Entwicklungsgegenstand zu erzeugen, erstellen die Beteiligten dazu üblicherweise hunderte Dokumente, die untereinander verknüpft werden. Nicht selten führt dies zu einem komplexen Dokumentengeflecht, welches nur schwerlich konsistent zu halten ist.

Raus aus der Dokumentenflut

Eine Lösung ist die Methode des modellbasierten Systems Engineerings (MBSE). Anstelle von Dokumenten begleitet beim MBSE ein zentrales Systemmodell alle Entwicklungsaktivitäten. Doch die Umstellung auf modellbasiertes Entwickeln ist nicht leicht, weil es von allen Beteiligten neue Denk- und Handlungsmuster erfordert. In der paluno-Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Klaus Pohl wurde gemeinsam mit Forschungspartnern ein Trainingskonzept und entsprechende Weiterbildungskurse zur Einführung von MBSE in Unternehmen erarbeitet. Sie bauen auf der sogenannten SPES-Methodik auf, die in den letzten zehn Jahren von mehr als 20 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt und immer weiter verfeinert wurde.

Training schärft das Bewusstsein

Die multimedialen Lernkurse orientieren sich an den typischen Rollen in den Entwicklungsprozessen der Unternehmen (Anforderungsentwickler, Funktionsentwickler, Systemarchitekt etc.). Beim Automobilzulieferer Schaeffler haben inzwischen mehr als 200 Mitarbeiter:innen die umfangreichen Trainings durchlaufen. Die Arbeitsgruppe von Prof. Pohl hat die Pilotphase wissenschaftlich begleitet. Die Erkenntnisse sollen helfen, die Weiterbildung im Bereich neuer Software-Engineering-Methoden weiter zu verbessern. Bei Schaeffler hatte das Projekt ebenfalls positive Effekte: Das Bewusstsein für die Vorteile der modellbasierten Systementwicklung ist kontinuierlich gestiegen. Mit den Erfahrungen aus der Pilotphase soll MBSE in weiteren Unternehmensbereichen eingeführt werden.

 

Publikation

Torsten Weyer, Marcel Goger, Walter Koch, Birgit Kremer: Einführungsstrategie für ein durchgängiges modellbasiertes Systems Engineering. ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 123,82–87 (2021). DOI: 10.1007/s35148-021-0707-1

Marian Daun, Jennifer Brings, Marcel Goger, Walter Koch, Torsten Weyer: Teaching Model-Based Requirements Engineering to Industry Professionals: An Experience Report, 2021 IEEE/ACM 43rd International Conference on Software Engineering: Software Engineering Education and Training (ICSE-SEET), 2021, pp. 40-49, DOI:10.1109/ICSE-SEET52601.2021.00013.

Wolfgang Böhm, Manfred Broy, Cornel Klein, Klaus Pohl, Bernhard Rumpe, Sebastian Schröck: Model-Based Engineering of Collaborative Embedded Systems Extensions of the SPES Methodology: Extensions of the SPES Methodology, 2021, DOI: 10.1007/978-3-030-62136-0 .